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Nach dem Theatertreffen

Elke Scheler • Mai 27, 2018

... ist vor den Autorentheatertagen

Kunstsinnaina und Sozioszenoferix chillen abends in ihrem Wohnzimmer, sie auf einer stylischen Liege, er auf dem neuen Sofa, das mittlerweile deutliche Katzengebrauchsspuren zeigt.

Sozioszenoferix: (pseudopathetisch deklamierend) Die Blütenblätter der Kastanien − sie sind abgefallen. Und welken auf dem Vorplatz des Festspielhauses dahin. Der letzte Vorhang des Theatertreffens − er ist gesunken. Es ist Ende Mai. Und alles vorbei. (selbstironisch beifallheischend) Na, wie war ich?

Kunstsinnaina: (trocken) Ich würde sagen: Auf schauspielerischer Ebene gleiches künstlerisches Niveau wie meine Hobby-Malerei.

Sozioszenoferix: (nun doch ein wenig beleidigt) Danke für die Blumen.

Kunstsinnaina: (gut gelaunt ) Apropos Blumen … Meine Mal-Lehrerin findet mein Tulpenbild gar nicht so übel. Ich meine das Bild, von dem du wissen wolltest, ob ich damit Jackson-Pollock-mäßig meine Aggressionen abbauen wollte ...

Sozioszenoferix sagt dazu nix.

Kunstsinnaina: (gönnerhaft) Kann deine Post-Theatertreffen Melancholie ja verstehen. Entzugserscheinungen … Mir geht es nach Kunstmessen ähnlich. Da fällt mir ein … Ich fahre nun doch zur Art Basel … Kommst du mit?

Sozioszenoferix ignoriert ihre Frage. Kunstsinnaina seufzt, nimmt sich aus einem Schüsselchen auf ihrem Schoß eine Handvoll Rote Bete-Chips und stopft sie sich genussvoll in den Mund.

Kunstsinnaina: (mit Kaupausen) Sollen angeblich auch nicht gesund sein, diese Dinger. (leckt sich die Finger ab) Aber: Schmecken vorzüglich! (stichelnd) Schade, dass deine irische Ex-Freundin zum Theatertreffen nicht kommen konnte. Wo du doch für »Rückkehr nach Reims« extra Karten für die englische Version genommen hattest. Nun, so hatte meine Wenigkeit die Ehre, dich auch bei diesem Theaterabend begleiten zu dürfen …

Sozioszenoferix greift nach der Fernbedienung und beginnt, sich durch die Kanäle zu zappen.

Kunstsinnaina: Ts. Wie der Ostermeier den Zuschauer*innen in seiner Ansage vor der Vorstellung die Kopfhörer für die Übertragung der deutschsprachigen Version geradezu aufgedrängt hat … Hatte was von »Hier animiert der Intendant persönlich«. Das war doch der Ostermeier, oder? Ich hab ihn ja eher noch aus seiner Jungspund-Zeit an der Baracke im Deutschen Theater in Erinnerung … Und wie nach seiner Ansage alle brav los getrabt sind, um sich einen Kopfhörer zu holen … Wir hatten uns ja schon welche besorgt. Vorsorglich. Wobei … Die Vorstellung, an den Stöpseln des Kopfhörers könnte das Ohrenschmalz eines fremden Menschen kleben … Eklig. Selbst wenn ich kein Wort verstanden hätte, hätte ich mich nicht überwinden können, das Ding aufzusetzen. Auch wenn es vermutlich frisch gereinigt war. (mit Blick auf den Bildschirm) Stopp! Lass mal … Könnte interessant sein.

Es läuft eine Arzt-Serie, die in den Alpen spielt. Gebannt verfolgt Kunstsinnaina das Geschehen. Bis sie bemerkt, dass Sozioszenoferix mit einem entgeisterten »Seit wann steht die auf sowas Seichtes«-Gesichtsausdruck in ihre Richtung schielt.

Kunstsinnaina: (hastig) Schon gut … Kannst weiter suchen.

Erleichtert zappt Sozioszenoferix weiter.

Kunstsinnaina: Weshalb haben sie »Rückkehr nach Reims« an der Schaubühne überhaupt in einer deutschen und in einer englischer Fassung eingerichtet? Obwohl das Werk von einem Franzosen stammt?

Sozioszenoferix brummt etwas Unverständliches.

Kunstsinnaina: Weißt du auch nicht, oder? Ich habe (ausgestellt französisch intonierend) Didier Eribons »Retour à Reims« übrigens im Original gelesen, schon vor Jahren, als wir in der Bretagne waren … Spannend, diese Aufarbeitung seiner Beziehung, oder besser – Nichtbeziehung – zu seinem Vater. Und seine soziologische Exkurse. Beängstigend scharf- und weitsichtig. Die Hoss – toll, wie die in der Inszenierung seinen Text rübergebracht hat. Und dann noch dieser Schlenker zu ihrem Vater … Wusste gar nicht, dass der Vater von der Hoss ein politischer Aktivist gewesen ist …

Sozioszenoferix: (gereizt) Nix Interessantes. Noch nicht einmal auf Arte.

Er feuert die Fernbedienung auf den Tisch.

Kunstsinnaina: (süffisant) Mach doch irgendsoein Bezahlsenderabo.

Sozioszenoferix: (grantig) Ganz bestimmt. (versonnen) Eigentlich habe ich sie immer beneidet.

Kunstsinnaina: (überrascht) Die Nina Hoss?

Sozioszenoferix: Nicht die Hoss. Ich meine diejenigen, die für eine Idee brennen. Wie die französischen Kommunisten, die in den Filmsequenzen der Inszenierung beim Demonstrieren zu sehen waren.

Kunstsinnaina: (trocken) Und von denen, wie wir von Eribon gelernt haben, manche heute vermutlich den Front National wählen. Sofern sie noch leben … Kannst du morgen Brot kaufen? Sozioszenoferix: Hm.

Paula springt auf den Schoss von Sozioszenoferix und schnurrt.

Sozioszenoferix: Als ob sie uns daran erinnern wollte, morgen nicht nur Brot, sondern auch Katzenfutter zu kaufen. (katzennärrisch) Na? Genauso verfressen wie Kunstsinnaina? (während er Paula streichelt) Ich frage mich ja immer noch, weshalb sich ein Teil der Zuschauer*innen bei »Die Welt im Rücken« dumm und dämlich gelacht hat. Wie es dem Thomas Melle wohl ergangen wäre, wenn er im Zuschauerraum gesessen und gehört hätte, wie die Leute vor Lachen grölten, während der Meyerhoff als Melle, also sozusagen als er selbst, von seinen manischen Schüben erzählte … Ob es ihn verletzt hätte. Oder gefreut? Vielleicht wäre es ihm einfach am Arsch vorbeigegangen. Au! Nicht kneten, Paula! Hut ab vor dem Meyerhoff! Wie der drei Stunden volle Pulle den Melle gespielt hat, mit Körper, Geist und Seele … Dieser Nürnberger Tatort-Kommissar, dieser Fabian Hinrichs, der die Laudatio auf den Gewinner des Alfred-Kerr-Darstellerpreises gehalten hat, auf den Benny … na, verdammt, ich habe mein Namensgedächtnis doch erst heute morgen beim Zähneputzen trainiert … (schnippt mit den Finger, Paula zuckt kurz zusammen) Claessens … Für seine Rolle in »Der Königsweg«. Ich könnte mich dafür in den Allerwertesten beißen, dass mir diese Inszenierung durch die Lappen gegangen ist. Mal schauen, ob die noch mal gespielt wird am Schauspielhaus, dann fahre ich nach Hamburg. Hätte ich ja früher schon auf die Idee kommen können, wo ich doch ein Jelinek-Fan bin … Bestimmt hätte der … Hinrichs! dem Meyerhoff den Preis verliehen, wenn der nicht schon zu alt wäre, einen Nachwuchspreis zu erhalten. (hämisch) Tja, irgendwann sind alle Züge für Nachwuchspreise abgefahren. »Alle Toten fliegen hoch« von dem Meyerhoff hast du doch gelesen, oder? Das Buch von dem Thomas Melle, »Die Welt im Rücken«, das kaufe ich mir jedenfalls. Oder hast du es schon in der Thaerschen Buchhandlung bestellt? Du sagst ja gar nichts. Ina?

Paula dehnt sich genüsslich auf dem Schoß von Sozioszenoferix.

Sozioszenoferix: (zu Paula) Ist gegangen, unsere Ina. Komisch, dass ich nix davon bemerkt habe. Ts … Das mit dem »so verfressen wie du« hat sie mir wohl übel genommen.

Paula mauzt, springt Sozioszenoferix vom Schoß und verschwindet durch die offene Balkontür in den Garten, der vor der Parterrewohnung liegt.

Sozioszenoferix: (konsterniert) Weibliche Solidarität? Was soll`s.

Schnappt sich das Programmheft der Autorentheatertage und vertieft sich darin.


Schoerleins. Exzentrisch, berlinisch, kulturbegeistert ...

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